Rabbi Moshe Schreiber, der Chatam Sofer schreibt, dass jeder von uns sich am Pessachseder denken soll, daß er vor diesem Tag ein Götzendiener war und von diesem Tage an ist er ein Diener Gottes geworden. Wenn man diesen Gedanken wirklich verinnerlicht und versucht es umzusetzen, kann es einen sehr weit bringen. Folgende Geschichte verdeutlicht dies:

Es wird erzählt über einen Maggid. Ein Maggid ist ein Rabbi, der durch die verschiedenen Gemeinden wandert, um die Juden an die Gesetze (Halacha) und die Ethik (Mussar) zu erinnern bzw. darüber zu sprechen. Dieser eine Maggid kam eines Tages in ein Schtetl. Er fragte einen der Bewohner, ob es denn im Schtetl irgendwelche Probleme gebe (sprich ob man zum Beispiel den Shabbat nicht so streng nimmt oder die Speiseregeln nicht einhält).

-“Alles in Ordnung, keine Probleme“, sagte der Einheimische.
-Shabbat wird eingehalten?
-Ja!
-Speiseregeln?
-Sicher!
-Frauen gehen in die Mikve?
-Selbstverständlich!
-Es muss doch irgendwas geben was nicht in Ordnung ist!
-“Nun, verehrter Rabbi“, meinte der Schtetlbewohner, „tatsächlich gibt es da ein Problemchen… Es gibt hier einen Moisser (ein Jude, der andere Juden an die Nichtjuden ausliefert, in dem er über diese heimlich aussagt; dabei ist egal, ob die Aussage wahr ist oder nicht, denn früher war es so, dass ein Jude, der in die Hände der Nichtjuden geriet, sozusagen verloren war; er würde wahrscheinlich nicht mehr lebendig rauskommen) und das ganze Schtetl wird von ihm terrorisiert… 
Wenn der Rabbi das Problem lösen könnte, das wäre das super!“

Der Maggid gab darauf eine lange Lektion in Anwesenheit des ganzen Schtetls, in der er das Thema Belohnung und Vergeltung erläuterte. Sehr bildlich stellte er in seiner Rede dar, was die Gerechten erwartet und womit die Sünder rechnen müssen. Und am Ende der Lektion sagte er an den Moisser gerichtet das Folgende: „Reb Yakov, Sie sollen wissen, dass ich viele Verdienste auf meinem Konto habe. Und ich schenke Ihnen alle meine Verdienste – meine gesamte zukünftige Welt, in Anwesenheit des ganzen Schtetls! Sie wissen jetzt ganz genau, wie gut es in der zukünftigen Welt sein wird und wie wertvoll jede Mitzva ist. Sie wissen aber auch, dass Sie durch Ihre Taten alles verlieren können. Ich bitte Sie, weise damit umzugehen!“ Und er verließ das Dorf.

Jahre später verschlug es den Maggid wieder in die Gegend. Er wollte wissen, was mit dem Yakov, dem Moisser, geschehen ist. „Yakov der Moisser?“, wunderten sich die Schtetlbewohner, „wir kennen so einen gar nicht“. Es stellte sich heraus, dass nachdem der Maggid weggegangen war, der Moisser zu einem Zaddik, einem Gerechten, wurde. Nicht nur, dass er seine Sünden hinter sich gelassen hat – jetzt saß er den ganzen Tag in der Synagoge und lernte die Torah! Kaum ein Jude konnte sich an seine dunkle Vergangenheit erinnern.

Das ist die Kraft des Neuanfangs! Bevor der Maggid kam, sah Yakov, der Moisser, keinen anderen Weg für sich – auch wenn er gelegentlich an diesem Weg zweifelte -, denn er hatte schon so vieles gemacht, er würde sowieso keine Hoffnung mehr auf die zukünftige Welt haben. Aber der Maggid schenkte ihm einen neuen Anfang. „Jetzt fängst du ganz von vorne an, du hast sogar noch ein Guthaben. Wenn du den richtigen Weg gehst, wird es sich nur mehren, und wenn nicht, verlierst du.“ Und er hat seine Chance genutzt.

Auch wir haben jedes Jahr an Pessach (oder auch kurz danach) die Möglichkeit eines Neuanfangs. Wie es der Chatam Sofer schreibt: „jeder von uns soll am Pessachseder denken, dass er vor diesem Tag ein Götzendiener war und heute ist er ein Diener Gottes geworden und heute ist der erste Tag seines Diensts.“