Der Midrash, bzw. mehrere Midrashim erzählen uns die Geschichte von den 10 Märtyrern – 10 große Talmudisten, die vor etwa 2000 Jahren von den Römern auf brutalste Weise ermordet wurden. Die ersten zwei, die hingerichtet wurden, waren R. Yishmael, der Hohepriester und Rabban Shimon ben Gamliel, der „Nassi“ – die höchste halachische Autorität seiner Zeit. Wir haben eine Überlieferung über die letzten Worte der beiden Weisen:

  1. Shimon [zu R. Yishmael]: „Rabbi, mein Herz findet keine Ruhe [denn wir werden gleich getötet und ich weiss nicht für welche Sünde]“.
  2. Yishmael: „Kann es sein, dass jemand mal zu Dir gekommen ist, damit du ihn richtest und du ihn warten gelassen hast, um dein Glas Wasser zu Ende zu trinken? [und das hat ihn unnötig leiden lassen]“.
  3. Shimon: „Rabbi, du hast mich beruhigt [tatsächlich ist mal so etwas passiert und jetzt weiss ich, welche Sünde diese Strafe auf mich gebracht hat]“.

In wenigen Minuten wird R. Shimon enthauptet. Da er ein gläubiger Jude ist und sich sicher ist, dass nichts zufällig passiert, überlegt er, was denn ihn in so eine Situation gebracht hat – was hat er verbrochen? Er sucht und sucht und findet nichts – keine Sünden auf seinem Gewissen. Deswegen bittet er seinen Freund, den Hohepriester um Hilfe und fragt ihn, was er übersehen haben könnte? Und R. Yishmael erklärt ihm etwas, was R. Shimon anscheinend davor nicht wusste: das Verbot einem Juden Leid anzutun, hat gar keine Maße, sprich, um das Verbot zu übertreten, muss man niemanden tatsächlich verletzt haben. Viel weniger genügt schon – auch nur ein kleines bisschen Leid ist verboten und bringt Strafe mit sich. Deswegen werden wir auch so oft im Talmud darauf hingewiesen, unsere Mitmenschen mit Respekt zu behandeln und sie nicht auch nur wenig zu verletzen. Eine wichtige Regel, die tagtäglich benutzt werden sollte!