Sdom und Amora (sowie die drei benachbarten Städte) sind den Menschen heute noch ein Begriff, obwohl diese Städte seit Tausenden von Jahren nicht mehr existieren. Die Bewohner dieser Städte waren dermaßen böse, dass der Barmherzige sich entschieden hat, Sdom und Amora samt der Bevölkerung zu vertilgen. Nachdem die Entscheidung schon gefällt war, lesen wir einen merkwürdigen Monolog von Gott:

Und Gott sagte: werde ich vor Avraham geheim halten, dass was ich tun werde? Avraham wird doch zu einem großen und starken Volk […]
[Kap. 18 Vers 17,18]

Interessantes Argument! Da Avrahams Kinder später ein großes Volk bilden werden, sollte Gott ihm alle seine Pläne mitteilen? Die Zerstörung von Sdom hat schließlich mit Avrahams Nachkommen kaum was zu tun.

Rabbi Schimschon David Pincus beantwortet diese Frage und seine Antwort ist zu gleicher Zeit ein fundamentales Prinzip in der Welt des Gebets. Rav Pincus sagt, dass es kein Konzept gibt von einem Gebet, dass nicht akzeptiert wird. Tatsächlich betet man oft lange dafür, etwas zu bekommen; ohne es zu bekommen. Aber das heißt in keinem Fall, dass das Gebet nicht akzeptiert wurde. Nur manchmal ist man selber oder ein Verwandter oder ein enger Freund in Gefahr. Und wenn man das gewusst hätte, hätte man viel gebetet – aber nicht immer ist man sich dessen bewusst. Und da nimmt Gott das Gebet, dass man vor langer Zeit gebeten hat (ohne damals eine Antwort bekommen zu haben) und „benutzt“ das Gebet, um den Menschen aus der Gefahr zu retten (was theoretisch auch ohne Gebet zutreffen könnte). Demnach wird also jedes Gebet akzeptiert, es ist nur so, dass Gott in manchen Fällen entscheidet, das Gebet für später aufzuheben, um es dann bei Bedarf zu „benutzen“.

Und das ist auch die Argumentation von Gott in unseren Versen. Nachdem Avraham erfahren hat, dass Gott die fünf Städte zerstören will, hat er viel gebetet, damit es doch nicht passiert. Am Ende wurden die Städte aber zerstört (vier von fünf, eine wurde aus einem anderen Grund verschont). Es stellt sich die Frage, warum Gott Avraham über die bevorstehende Zerstörung informiert hat? Seine Gebete würden doch sowieso nicht erhört werden. Dies stimmt jedoch nicht so ganz. Gott wusste, dass er letztendlich die Städte zerstören wird. Da aber Avrahams Kinder zu einem großen Volk werden und viele Verfolgungen und Leid erleben werden würden, musste Gott Avraham von der Zerstörung erzählen. Denn seine Kinder würden seine Gebete, die zwar ursprünglich den Sdomiter galten, in der Zukunft noch benötigen.

Der Grund warum Gott die Zerstörung nicht vor Avraham würde geheim halten, war der, dass er wusste, wie sehr Avraham für diese Städte und deren Bewohner beten würde und diese Gebete all seinen Nachfahren zu Gute kommen würden.

von Shlomo Aminov